Interview mit Bernd Baumbach, dem Lehrgangsverantwortlichen der Weiterbildung „Spielanalyse & Scouting“

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Das IST-Studieninstitut bietet seit November 2017 die Weiterbildung „Spielanalyse & Scouting“ an. Der sechsmonatige Kurs wird als Fernstudium durchgeführt, kann also auch problemlos von Leistungssportlern absolviert werden. Die ersten beiden Kurse waren dabei bereits gut besucht und boten eine interessante Mischung an Teilnehmern. Trainer, Spielanalysten, Scouts, Spieler und Vereinsmitarbeiter trafen sich bei den Seminaren in Düsseldorf. Wir sprachen mit dem Lehrgangsverantwortlichen Bernd Baumbach vom IST-Fachbereich „Sport & Management“ über den Kurs und die spannenden Themen Talentidentifikation, Datenscouting, Kaderplanung und Talentmanagement.

 

Herr Baumbach, worum geht es in der Weiterbildung, was sind die Inhalte?

Wir haben uns bewusst darauf fokussiert, nicht nur die Spielanalyse in den Mittelpunkt zu stellen, sondern uns auch mit den Themen Scouting und Talentmanagement zu beschäftigen. Es geht uns im Kurs weniger darum, in die Tiefen der Spielanalyse einzusteigen, da dies in der Regel nur in der Praxis wirklich passieren kann. Wir bieten dazu aber eine theoretische Basis und geben entsprechende Werkzeuge mit an die Hand. Anschließend legen wir vor allem auch den Fokus darauf, wie Daten der Spielanalyse und Kenntnisse von Talentkriterien zu einem effizienten Scouting führen und somit letztlich in ein funktionierendes Talentmanagement münden.

 

Wer ist die Zielgruppe des Kurses?

Wir möchten mit dem Kurs eine recht breitgefächerte Zielgruppe erreichen und tun das bisher auch. Da die Lehrmaterialien und Kursinhalte vollständig von Branchenexperten und erfahrenen Praktikern erstellt worden sind, richten sich die Inhalte natürlich auch an Spielanalysten und Scouts im Profifußball. Wir möchten aber auch alle diejenigen erreichen, die sich unterhalb des deutschen Profifußballs mit den Themen Spielanalyse, Scouting und Talentmanagement beschäftigen. Der Kus ist sicher auch interessant etwa für Medienunternehmen, die sich vermehrt mit Spielanalysen beschäftigen, oder aktive Fußballer, die sich auf eine Karriere nach der Karriere vorbereiten wollen oder einfach mehr zu dem Thema erfahren möchten.  Zudem sind aktuell viele Trainer, auch aus dem Amateurbereich, im Kurs, genauso wie Berater, aktive Fußballer, teilweise Scouts aus anderen Sportarten, sowie Mitarbeiter von Dienstleistern.

 

Welche Rolle spielt das Thema „Identifikation von Talenten“?

Die Vereine arbeiten in der Regel alle mit einer vereinsspezifischen bzw. festgesetzten sportlichen Philosophie, die auch bei der Auswahl neuer Spieler eine entscheidende Rolle spielt. Passt der Spieler menschlich, aber auch von seiner Spielanlage in unser Konzept? Bevor diese Frage aber konkretisiert werden kann, existieren einige Talentkriterien, die eine Allgemeingültigkeit haben. In diesem Themenblock vermitteln wir unter anderem verschiedene Modelle zur Bewertung von Leistung und Talent, diskutieren die Rolle und Funktion des Trainers bei Spielerverpflichtungen und zeigen Wege der Talententwicklung auf. Bei der der konkreten Spielersuche geht es dann darum systematische Beschreibungen von Spielbewertungen durchzuführen, sportpsychologische Auswahlkriterien zu berücksichtigen und Kriterien der Talentprognose zu beachten. Insofern ist die Talentidentifikation ein entscheidender Bestandteil in unserem Kurs.

 

Wie sehen Sie die Bedeutung von Big Data für die Bereiche Spielanalyse und Scouting?

Wie in allen anderen Bereichen auch, spielen Datenerfassung und Datenauswertung auch im Fußball eine immer bedeutendere Rolle. Im deutschen Profifußball sind wir aber lange noch nicht da, wo nordamerikanische Profiligen wie die NHL, NBA oder NFL sind. Und auch im internationalen Vergleich hinken wir eher noch hinterher, ohne dies werten zu wollen. Aber zum Vergleich: Bei Manchester City arbeiten aktuell ca. 12-15 Datenscouts, während Datenscouting in der Fußballbundesliga gerade erst wirklich eine Relevanz bekommt.

 

Wie glauben Sie, wird sich die Arbeit von Trainern durch Datenanalysen im Fußball verändern? Gilt dies auch für den Amateurfußball?

Ja, auch der Amateurbereich bis in die untersten Ligen wird mehr und mehr auf Daten zurückgreifen. Dies hat zwei Gründe: Erstens sind immer mehr Daten verfügbar und zweitens steigt die Affinität und das Interesse auch im Amateurfußball. Wenn man sieht, welche Möglichkeiten sich mittlerweile jedem Einzelnen bieten, Videomaterial zu erstellen oder per App auf Spielanalyse-Tools zurückzugreifen, dann zeigt dies auch auf, wie die Bedeutung von Daten selbst im Amateurfußball zu gewichten ist. Und dies betrifft dann natürlich auch die Einbindung von Daten und Analysen in den Trainingsbetrieb und die Spielerentwicklung.

 

Was genau ist denn mit dem Begriff Datenscouting gemeint und inwiefern beeinflusst er die Arbeit des Scouts und die Einschätzung zu einem Talent?

Datenscouting meint das strukturierte Analysieren von Spiel- und Leistungsdaten bei der Auswahl potentieller „Transferobjekte“. In den letzten Jahren ist die Unzufriedenheit über eine zu hohe Subjektivität im Scouting gewachsen und es ist auch aufgrund der immer größer werdenden Märkte fast nicht mehr möglich, für jeden Verein alle relevanten Spieler zu scouten. Hier bietet das Datenscouting einige Vorteile. Beim Spielerscouting hat es unter anderem den Vorteil, Tausende von Spielern per Knopfdruck nach vorher vorgegebenen Kriterien zu sortieren und auch Nischenmärkte einzusehen, die sonst nur über ein extrem teures Scoutingnetzwerk abzudecken wären. Dies hält somit die Kosten für kleinere Vereine mit geringem Etat in Grenzen. Daten nehmen dabei zudem dem kompletten Scoutingprozess die Subjektivität, da alle Spieler basierend auf Daten gleich bewertet werden können. Dies macht Scouting für Clubs effizienter und weniger kostenintensiv.

 

Spielt Subjektivität dann im Scouting keine Rolle mehr? Sind Scouts dann überhaupt noch notwendig?

Ja! Scouts werden ihre Bedeutung nicht verlieren! Man darf hierbei nicht vergessen, dass letztlich jeder Verein einen Spieler immer nochmal persönlich anschauen wird, um bereits angesprochene Merkmale wie Persönlichkeit und Spielanlage zu begutachten. „Passt ein Spieler zu uns?“ wird immer die Frage sein, die keine Datenauswertung final beantworten kann. Daten können lediglich bei der Erstidentifikation eines potentiellen Neuzugangs behilflich sein und Scouts auf einen Spieler aufmerksam machen, der ggf. sonst nicht identifiziert worden wäre.

 

Wir steuern nicht nur auf die WM zu, sondern auch bereits auf wieder auf die Sommertransferperiode in der die Klubs ihre Kader verstärken wollen. Inwiefern ist Kaderplanung ein wichtiger Bestandteil des Scoutings?

Der Begriff Kaderplanung prägt den Fußball der heutigen Zeit. Wenn man mal in die Vergangenheit schaut, dann sieht man, dass oftmals Mannschaften mit einem Kader voller spielerischer Klasse sportliche Ziele verfehlt haben. In vielen Fällen muss man dabei auch die Kaderplanung hinterfragen. Für das Scouting im heutigen Profifußball bedeutet dies, dass die Kaderplanung immer die Grundlage für die Auswahl eines Spielers darstellt, nie nur das reine Talent bzw. die Klasse des Einzelnen. Es geht immer um die Frage, welche Fähigkeiten, Eigenschaften oder Mentalitäten einer Mannschaft fehlen und über das Scoutingnetzwerk ergänzt werden sollen. Aus der Kaderplanung nimmt demnach der Scout entsprechende Kriterien mit, die über die Talentidentifikation hinausgehen und eine entscheidende Rolle spielen.

 

Welche Rolle spielt das Thema Talentmanagement in der Weiterbildung?

Uns war es ganz besonders wichtig, auch einmal das DFB-Talentförderprogramm, die Funktion und Bedeutung der Nachwuchsleistungszentren in Deutschland und somit die Struktur des Talentmanagements in Deutschland aufzuzeigen. Dies ist nicht nur für Scouts und ggf. Spielanalysten ein Mehrwert, sondern vor allem auch für die Vereine, die durch Kenntnisse in der Spielanalyse und im Scouting ihr Talentmanagement optimieren wollen. Wir sehen hier immer das Zusammenspiel aus Analysen, die zunächst in der Spielerauswahl, dann aber vor allem auch bei der Spielerentwicklung und somit dem Talentmanagement eine entscheidende Rolle spielen. Dafür ist ein Gesamtüberblick über Talentmanagement im deutschen Profifußball ein entscheidender Faktor im Kurs.

 

Mit wem setzen Sie den Kurs zusammen um?

In der Entstehung und Zusammenstellung des Kurses war es mir ein besonderes Anliegen die verschiedenen Facetten dieses Kurses auch mit verschiedenen Experten aus der Praxis zu besetzen. Die Lehrmaterialien, die die Basis für die Teilnehmer bilden, haben Boris Notzon vom FCK und sein Team, sowie Kai Rosar von der der TSG Hoffenheim 1899 erstellt. Zudem haben wir mit der Stats Deutschland GmbH einen tollen Partner für die Umsetzung des Seminares Spielanalyse in der Praxis, da die Teilnehmer hier sowohl sehr aktiv mit Analysetools vertraut gemacht werden, wie auch einen Einblick gewinnen, wie die Analysten des DFB ihre Arbeit gestalten. Den Bereich Scouting in der Praxis deckt hingegen Dustin Böttger mit seiner Agentur Global Soccer Network ab und wir haben zahlreiche Praxisexperten gewinnen können, die über Videovorlesungen zusätzlich Einblicke gewähren.

 

Weitere Informationen zur Weiterbildung „Spielanalyse & Scouting“ gibt es unter www.ist.de/spielanalyse-und-scouting.

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