Marketing 3.0 – die neue Dimension des Marketings: Eine neue Dimension des Handelns (2. Teil)

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Patrick-PotthoffEine neue Dimension des Handelns

Zeitpunkt: 1975
Ort: irgendwo im Ruhrpott

Er trägt die Nummer 9. Ohne ihn wäre die Mannschaft nur halb so gut, definitiv. Ausgestattet mit einer Qualität, die seinesgleichen sucht. Ihn außerhalb des Spielfelds zu beobachten ist aber nicht weniger interessant. Wie er sich gibt, was er tut, was er sagt. Neulich habe ich dieses Interview mit ihm gelesen. Ein Mensch wie jeder andere – den Anschein macht es zumindest. Das Herz trägt er auf der Zunge, dafür ist er bekannt. Warum sollte er das auch ändern? Vor kurzem habe ich ihn in der Stadt gesehen. Natürlich wurde er erkannt. Er schrieb ein paar Autogramme und ging mit seiner Freundin in den Laden. Muss schon anstrengend sein, so ein Leben als öffentliche Person. Immer und überall erkannt zu werden, keinen Freiraum zu haben, wobei – in den geschützten Räumen findet er ja immer eine Zuflucht. Das Telefon aus der Büchse stecken und schon stört ihn keiner mehr. So schlimm kann es nicht sein. Und für Fußballvereine gilt ja dasselbe.

Zeitpunkt: 2013
Ort: irgendwo im Ruhrpott

Er trägt die Nummer 9. Ohne ihn wäre die Mannschaft nur halb so gut, definitiv. Ausgestattet mit einer Qualität, die seinesgleichen sucht. Ihn außerhalb des Spielfeldes zu beobachten ist aber nicht weniger interessant. Wie er sich gibt, was er tut, was er sagt, was er bei Facebook postet (oder posten lassen lässt).
Neulich habe ich dieses Interview mit ihm gelesen. Ein Mensch wie jeder andere? Den Anschein macht es nicht. Vielleicht trägt er im Privatleben das Herz auf der Zunge, hier wird davon zumindest nichts deutlich. Es kommt so vor, als wenn er einen inhaltslosen PR-Phrasenbaustein an den anderen hängt. Keine Angriffsfläche, höchst politisch korrekt, sachlich, nichtssagend. Aber warum sollte er das auch ändern? Jedes Wort wird auf die Goldwaage gelegt und kann ein Strick werden. So hält er sich zumindest aus dem Kreuzfeuer der Kritik. Vor kurzem habe ich ihn in der Stadt gesehen. Natürlich wurde er erkannt. Er schrieb ein paar Autogramme und ging mit seiner Freundin und den 6 Begleitern in den Laden. Vermutlich seine Bodyguards. Muss schon anstrengend sein, so ein Leben als öffentliche Person. Immer und überall erkannt zu werden, keinen Freiraum zu haben. Nicht mal in den geschützten Räumen findet er eine Zuflucht. Jedes Wort wird auf die Goldwaage gelegt, vor allem in den sozialen Netzwerken. Da hilft es nicht mal, Smartphone, Laptop und iPad auszuschalten. Und für Fußballvereine gilt ja dasselbe.

Das Leben der Menschen hat sich verändert. Alles ist transparenter und gläsener geworden. Das bringt naturgemäß Vor- und Nachteile mit sich. Vorteile für diejenigen, für die das Glas zuvor verschlossen war. Nachteile für diejenigen, die hinter der Glasscheibe sitzen. Der Fußballinteressierte würde am liebsten auf dem Schoß des Spielers/Vorstands/Trainers/Geschäftstellenmitarbeiters sitzen und jedes Detail höchstpersönlich überwachen. Der Verein muss ihm die Möglichkeit geben, zumindest ein Teil des Ganzen zu sein. Kein Platz auf dem Schoß, aber die Erfüllung der veränderten Erwartungen. Die Erwartungen nach Transparenz, Offenheit, Teilhabe und dem Drang nach Vergemeinschaftung.

Fußballvereine sind Unternehmen, die dieses gesteigerte Bedürfnis besonders stark zu spüren bekommen. Die Reaktion darauf fällt allerdings sehr unterschiedlich aus.

Bei vielen Fußballvereinen bekommt man das Gefühl, dass sie sich rüsten. Gegen eine aufkommende Kriegsmacht. Größer als sie und gewillt, alle Mauern einzureißen. Eine Herrschar von kritischen, nachfragenden, dialogsuchenden, unkontrollierbaren Individuen.

Viele Unternehmen betrachten diese Mauern als notwendig. Insbesondere Vereine (und natürlich auch deren Angestellte), die nach dem kleinsten Ausrutscher oder Fehler am selben Tag noch in aller Öffentlichkeit zerrissen werden.

Vereine, die sich in ihrer Festung verschließen, werden verlieren. Das mag wie eine inhaltslose Plattitüde klingen, doch ist es in Wirklichkeit eine Denkhaltung. Und damit beginnt meist alles. Wer auf die neuen Bedürfnisse nicht eingeht, wird überrollt. Die Nokia’s und Kodak’s dieser Welt können ein Lied davon singen.

Öffnen statt verschließen

Eine Marke – und das gilt auch für einen Fußballverein – gehört den Verbrauchern. Es geht nicht darum, sie mit allen möglichen Mitteln zu verteidigen, sondern sie für die Menschen zu öffnen.

Vereine, die sich immer noch verschließen, sind leicht zu erkennen: In ihrem Dunstkreis fallen bei Fans häufig die Formulierungen „Wir da unten – und die da oben“ oder „Das wurde über unsere Köpfe hinweg entschieden“. Er herrscht eine unterschwellige Unzufriedenheit, ohne dass die Fans konkret benennen können, warum das so ist.

Es sind jene Vereine, die alle Ecken und Kanten so glattschleifen, dass gar kein Raum mehr für Kritik bleibt. Es sind die Vereine, zu denen man keine Assoziationen besitzt. Die für nichts stehen und auch für nichts stehen wollen. Konturlos, aalglatt und nett. Und nett ist ja bekanntlich auch der kleine Bruder von … Naja, Sie wissen schon.

Menschen wollen einbezogen werden. Und Vereine sollten es nicht einfach tun, um die Masse ruhig zu stellen und zu besänftigen, sondern weil es nützlich sein kann. Der Fußballverein ist ein Allgemeingut, als ein solches wird er zumindest verstanden – Theorie und Definition mal beiseite gelegt.

Fußballvereine werden sich weiter öffnen müssen. Nicht des bloßen Öffnen-Willens, sondern weil man versteht, dass der Mensch/Fan/Kunde auch einen Mehrwert liefern kann.

Viele tun das auch schon – zumindest in einem für sie erträglichen Rahmen. Das lässt sich an vielen Beispielen zeigen: Spieler beantworten in Facebook-Chats Fan-Fragen, Vereine veranstalten Diskussionsrunden, Fans dürfen per Twitter in Echtzeit ihre Meinung kundtun. Das sind Dinge, die schon Standard sind.

Doch es geht um mehr. Die Verbraucher – und insbesondere Fans – wollen nicht länger passiv bleiben. Sie wollen nicht nur in Dialog treten, sondern Feedback liefern. Und dieses Feedback sollte sich ein Verein zu Nutze machen.

Es wird Wert auf die Mitwirkung an der Entwicklung gelegt. Im kleinen Kontext gibt es viele Positivbeispiele. Eins davon: Wolfsburg rief als erster Bundesligist einen Wettbewerb zur Kreation eigener Fanartikel aus. Hier werden Fans interaktiv mit einbezogen. Sie dürfen mitgestalten und teilhaben. Mitwirkung und Teilhabe erstreckt sich über weitaus mehr.

Welcher Verein nutzt denn schon die volle Kraft der Masse für sich? Unternehmen in der Wirtschaft betreiben Crowdsourcing und Schwarmauslagerung in noch größeren Dimensionen.

Philip Kotler nennt in seinem Buch ein Beispiel:

„Ein Paradebeispiel dafür ist Google Project 10. Zur Feier eines 10. Geburtstags im September 2008 bat Google Verbraucher um Ideen, wie man anderen in den acht folgenden Kategorien helfen könnte: Gemeinschaften, Chance, Energie, Umwelt, Gesundheit, Bildung, Obdach und Sonstiges. Google wird 100 Finalisten herausfiltern und das Publikum bitten, per Abstimmung die 20 besten Ideen zu ermitteln. Die Umsetzung der der fünf besten Ideen, die von einem Beirat ausgewählt werden, wird mit insgesamt 10 Mio. US-Dollar finanziert. Google nutzt dabei die Kraft des Netzwerks und praktiziert aktive Mitbestimmung der Verbraucher.“

Es geht für Vereine um die Grundidee. Wenn ein Wirtschaftsunternehmen Menschen dazu begeistern kann, Idee zu liefern – was kann dann erst ein Fußballverein erreichen? Der Fußballverein, des deutschen liebsten Kind. Ein durchschnittlicher Bundesligist hat jedes zweite Wochenende 40.000 Menschen in seinem Stadion zu Gast. Ein vielfaches davon verfolgt den Verein im Internet, am Fernsehen oder nur peripher. Und diese Menschen bilden den gesellschaftlichen Querschnitt. Unter ihnen sind Experten auf jeglichen Gebieten. Ein beinah unbegrenztes Repertoir an Know-How und Ideen.

Warum werden diese Menschen nicht viel mehr aktiv einbezogen? Philip Kotler beschreibt, wie ein solcher Prozess des aktiven Einbeziehens aussehen könnte:

„Wir beobachten drei wichtige Prozesse des aktiven Einbeziehens. Erstens sollten Unternehmen das einrichten, was wir als eine „Plattform“ bezeichnen – ein standardisiertes Produkt, das noch passgenau zugeschnitten wird. Zweitens sollten einzelne Verbraucher innerhalb eines Netzes die Plattform auf ihre spezifischen Identitäten ausrichten. Schließlich sollte Feedback  von den Kunden eingeholt und die Plattform durch die Einarbeitung sämtlicher individueller Anpassungen bereichert werden, die vom Verbrauchernetz vorgenommen werden.“

Kann ein Fußballverein in der heutigen Zeit auf Know-How und Ideen verzichten? Konkurrenzvorteile sind doch das A und O. Und Innovation ist die Hauptquelle für Konkurrenzvorteile. Unternehmen wie Google, 3M und IDEO verlassen sich schon seit Jahren auf diese Hauptquelle. Sie zapfen die Menschen an – im positiven Sinne. Es sorgt für einen Mehrwert und schafft Vertrauen. Die Nachfrage entsteht erst im nächsten Schritt. Verbrauchervertrauen vor Nachfrage. Eine neue Dimension des Vertrauens sozusagen. Und das ist auch der Titel des nächsten Teils am morgigen Donnerstag.

 

Über den Gastautor

Patrick Potthoff studierte BWL an der FH Bielefeld (Schwerpunkt Marketing) und absolvierte eine Weiterbildung zum Sportmarketing-Manager am IST-Studieninstitut. Der ausgebildete Industriekaufmann beschäftigte sich im Rahmen seiner Bachelorarbeit mit der identitätsorientierte Markenführung bei Borussia Dortmund und bloggt neben seinem berufsbegleitenden MBA-Sportmanagement Studium an der Friedrich Schiller Universität Jena aktiv unter: www.3hundertsechzig.com.

Kontakt und Fragen an Patrick Potthoff: potthoff.patrick@gmx.de.

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