Marketing 3.0 – die neue Dimension des Marketings: Eine neue Dimension des Vertrauens (3. Teil)

Veröffentlicht am von

Patrick-PotthoffEine neue Dimension des Vertrauens

Zeitpunkt: 2013
Ort: irgendwo im World Wide Web

Da ist er wieder, unser Starspieler mit der Nummer 9. Heute geht es aber nicht darum, den Siegtreffer für sein Team zu erzielen, sondern das neu auf den Markt gebrachte Produkt eines international agierenden Getränkeherstellers zu bewerben. Das lässt er sich natürlich auch fürstlich belohnen. Der Marketingabteilung des Getränkeherstellers war es das wert. Im großen fünftägigen Big Business Meeting in New York einigte man sich einstimmig darauf. Die Schlussfolgerung war  simpel: „Der Starspieler wird von allen geliebt. Wenn die Menschen sehen, dass er unsere Produkte kauft, dann werden die uns schon bald die Hütte einrennen“. Welch genialer Plan. Man klopft sich eifrig auf die Schulter. Die Konkurrenz kann schon mal einpacken.

Der Werbespot ist abgedreht. Schon bald startet die Kampagne auf allen Kanälen. TV-Werbung zur besten Sendezeit. In den sozialen Medien soll es natürlich auch verbreitet werden. Unser Starspieler mit der Nummer 9 ist sich nicht zu schade, es auch über seinen eigenen Facebook-Account zu verbreiten. Er postet ein Bild von sich, auf dem er eine Flasche vor die Kamera hält. Sein Lächeln wirkt irgendwie aufgesetzt. Genau wie das ganze Bild. Das Etikett der Flasche ist penibel nach vorne gedreht. Kein Schluck daraus getrunken. Unter dem Bild steht: „Hallo Fans. Bin grad auf dem Weg zum Training. Probiert doch mal das neue Getränk XY, echt lecker. Gruß, euer Starspieler mit der Nummer 9“.

Die ersten Kommentare lassen nicht lange auf sich warten:
„Oh, ein neuer Sponsorenvertrag? Glückwunsch.“
„Schmeckt beschissen, aber viel Glück beim Training.“
„Schieß lieber Tore, anstatt dich mit ner‘ Flasche abfotografieren zu lassen.“
„Schaut mal, ist das ein Schmetterling da an der Frontscheibe?“

Am nächsten Tag wandert ein zufällig entstandenes Bild durch das Netz. Unser Starspieler Nummer 9 saß im Restaurant, genüsslich an einem Getränk nippend. So tiefenentspannt, dass er beinahe mit dem Stuhl nach hinten umkippt wäre. Im letzten Moment kann er sich retten. Der Fotograf drückt im richtigen Moment ab. Das Bild wird der Hit im Internet. Dumm nur, dass es nicht das Getränk war, für das er eigentlich Werbung machen soll.

Die Verkaufszahlen gehen in den Keller. In der Marketingabteilung ist man dem Problem sofort auf den Grund gekommen. Es lag am Starspieler mit der Nummer 9. Einfach der falsche Mann. Nächstes mal lieber der Stürmer vom anderen Verein. Den mag die Zielgruppe sowieso lieber. Das sagen auch die Umfragewerte. Im nächsten 5-tägigen Big Business Meeting der Top 100 in New York soll dann die konkrete Strategie ausgearbeitet werden. Welch genialer Plan. Man klopft sich eifrig auf die Schulter. Die Konkurrenz kann schon mal einpacken.

Zeitpunkt: immer noch 2013
Ort: immer noch das World Wide Web

An diesem einem Tag wandert ein zufällig entstandenes Bild durch das Netz. Unser Starspieler Nummer 9 saß im Restaurant, genüsslich an einem Getränk nippend. So tiefenentspannt, dass er beinahe mit dem Stuhl nach hinten umkippt wäre. Im letzten Moment kann er sich retten. Der Fotograf drückt im richtigen Moment ab. Das Bild wird der Hit im Internet. Zur Freude von Coca-Cola. Ihr Getränk wird abgefeiert, obwohl sie das gar nicht bräuchten. Ihr Getränk ist Lebensfreude, nicht mehr und nicht weniger. Und überhaupt stehen auf den Flaschen ja jetzt auch Vornamen. Da stehen alle drauf. Vermutlich eine der besten Marketingideen bezüglich Einfachheit und Wirkung, die es jemals gab. Die Verkaufszahlen steigen. Niemand klopft sich auf die Schulter. Der nächste geniale Schachzug? Kommt bestimmt.

Die Moral von der Geschicht

Und was ziehen wir nun aus dieser frei erfundenen (aber nicht ganz unrealistischen) Geschichte? Ist Strategie überflüssig? Sollten alle Entscheidungen nur noch aus dem Bauch heraus und intuitiv entschieden werden? Nein, aber in Marketing 3.0 funktionieren manche Dinge etwas anders. Die Herzen der Menschen lassen sich nicht mehr nach Schema X oder Y erreichen. Viel mehr geht es um Authentizität. Das sieht auch Philip Kotler so:

„Marken, die nicht authentisch sind, haben ausgespielt wenn persönliche Empfehlungen das neue Werbemedium werden und Verbraucher Fremden, die ihren Gemeinschaften angehören, mehr glauben als den Unternehmen.“

Es geht darum, Vertrauen zu schaffen. Und diese Art von Vertrauen hat sich verändert:

„Heute besteht Vertrauen eher in horizontalen als in vertikalen Beziehungen. Verbraucher glauben einander mehr als den Unternehmen. […] Der Aufstieg der sozialen Medien ist schlicht ein Ausdruck der Verlagerung des Vertrauens der Verbraucher von Unternehmen auf andere Verbraucher.“

Die Menschen lassen sich nicht mehr auf rein rationale Weise erreichen. Ihnen ist es egal, ob 99% der Verbraucher das Haarshampoo der Marke XY weiterempfehlen. Wenn mir eine Vertrauensperson sagt, dass das Shampoo gut ist, dann kaufe ich es. Wenn mich das Produkt  emotional anspricht, dann kaufe ich es. Wenn es mit meinen Werten übereinstimmt, dann kaufe ich es. Alles ist auf Vertrauen ausgerichtet. Fatal, wenn dieses Vertrauen Schaden nimmt.

Vertrauensbruch

Vertrauen ist wie ein Kartenhaus. Ein kleiner Windzug (oder auch Shitstorm) und alles bricht ein. Selbst die populärsten Marken mussten das schon miterleben.

1985 führte die Coca-Cola Company die New Coke ein. Eine bessere, modernere und neuere Variante der klassischen Coke. Die Verbraucher reagierten mit Unmut. Das Getränk wurde nach nicht einmal drei Monaten wieder vom Markt genommen. Nicht der Geschmack war schuld, sondern die Veränderung des Gewohnten und Gelernten. Die missglückte Einführung von Neueinführungen von beliebten Produkten bezeichnet man selbst heute noch mit dem „New-Coke-Effekt“.

Einen ähnlichen Fall von Vertrauensbruch ereignete sich bei Ikea. Das Unternehmen stellte 2009 die Hausschriftart von Futura auf Verdana um. Heftige Diskussionen und Boykott-Aufrufe waren die Folge. Die Verbraucher verteidigten ihre Marke, zu der sie eine Beziehung aufgebaut hatten. Dabei änderte sich nichts anderes als die Schriftart.

Vertrauensbruch im Fußballbusiness

Auch im Fußball gibt es da viele wundervoll-schreckliche Fälle von Vertrauensbruch. Die zahlreichen Wappenänderungen zum Beispiel:

Der Vorstand des VfB Stuttgart unterzog 1998 dem Symbol des VfB einer Schönheitsoperation, um besser auf dem asiatischen Markt mitmischen zu können. Der 1. FC Kaiserslautern änderte zwischen 2010-2012 ein gelerntes Logo zugunsten eines 50 Jahre alten, zu dem niemand mehr eine Verbindung hatte. Nur zwei von vielen Beispielen.

Wird ein gelerntes Symbol verändert, zieht es einen Vertrauensverlust bei den Verbrauchern nach sich. Die Beziehung leidet. Die Menschen laufen Sturm dagegen. Und hier geht es – wie bei der New Coke und Ikea – um viel mehr, als ein paar moderneren Strichen und einem anderen Farbton. Es ist kein fußballspezifisches Problem, dass sich nicht mit Traditionalismus erklären lässt. Es ist menschlich. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Mit einem ganz feinen Gespür dafür, was mit dem (ihren) Verein angestellt wird.

Die Beispiele Coke, Ikea und den Wappenänderungen bei Fußballvereinen beinhalten eine wichtige Botschaft: Im Marketing 3.0 verliert man das Besitzrecht an erfolgreichen Marken.

Das sagt auch Philip Kotler:

„Wenn die Mission einer Marke den Verbrauchern fest in Kopf, Herz und Seele übergegangen ist dann gehört ihnen diese Marke. Im Falle von New Coke und Ikea haben diese Unternehmen die Mission ihrer eigenen Marke fatalerweise nicht so gut verstanden wie ihre Verbraucher.“

Die Währung im Marketing 3.0 lautet nicht mehr Nachfrage, sondern Vertrauen. Nachfrage entsteht aus Vertrauen. Und aus Authentizität. Und aus Empathie. Und daraus, mindestens ein Ohr beim Verbraucher zu haben. Denn die Verbraucher sind es nicht nur, die Ihre Produkte kaufen, Ihre Spiele besuchen, Ihre Trikots kaufen – sie sind es auch, die als wichtigste Werbeträger für Ihr (Fußball-)Unternehmen agieren. Aus einem einfachen Grund: In Marketing 3.0 funktioniert Werbung anders. Werbung passiert nicht mehr nur in der Werbeabteilung, sondern vor allem beim Verbraucher/Fan selbst. Jeder Verbraucher/Fan ist Werbetreibender. Das ist eine neue Dimension der Werbung –  und darum geht es morgen im vierten Teil der Serie.

 

Über den Gastautor

Patrick Potthoff studierte BWL an der FH Bielefeld (Schwerpunkt Marketing) und absolvierte eine Weiterbildung zum Sportmarketing-Manager am IST-Studieninstitut. Der ausgebildete Industriekaufmann beschäftigte sich im Rahmen seiner Bachelorarbeit mit der identitätsorientierte Markenführung bei Borussia Dortmund und bloggt neben seinem berufsbegleitenden MBA-Sportmanagement Studium an der Friedrich Schiller Universität Jena aktiv unter: www.3hundertsechzig.com.

Kontakt und Fragen an Patrick Potthoff: potthoff.patrick@gmx.de.

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