Marketing 3.0 – die neue Dimension des Marketings: Eine neue Dimension des Denkens (1. Teil)

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Patrick-PotthoffEine neue Dimension des Denkens

Zeitpunkt: 1975
Ort: irgendwo im Ruhrpott

Max ist Schalke-Fan. Seine ganze Familie ist das. An diesem Samstag im Jahr 1975 tritt sein S04 zum Heimspiel an. Die Plakate in der Innenstadt kündigen das Spiel an. Das kann er sich nicht entgehen lassen. Das muss er sehen. Ob es wohl noch Karten gibt? Vermutlich wird er früh am morgen zum Kassenhäuschen gehen und fragen. Plätze egal. Hauptsache Fußball. Ob der neue Stürmer wohl in der Startelf steht? Er ist schon gespannt auf die Verkündung der Startaufstellung kurz vor Anpfiff. Noch wenige Stunden bis zum Spiel. Max trifft sich mit seinen Kumpels in der Stammkneipe. Einstimmige Meinung: Der Gegner ist chancenlos. Eine Stunde vor Anpfiff ziehen sie los. Kurz vor Beginn bestaunen sie die Choreografie. Mal wieder einzigartig. Das Spiel verlieren sie trotzdem. Noch am selben Abend beginnen die Diskussionen. Dieter ruft vom Tresen aus in die Runde: „Mit diesem Trainer wird das nichts mehr“.

Zeitpunkt: 2013
Ort: irgendwo im Ruhrpott

Max ist Schalke-Fan. Seine ganze Familie ist das. An diesem Samstag im Jahr 2013 tritt sein S04 zum Heimspiel an. Das kann er sich nicht entgehen lassen. Das muss er sehen. Nur wo? Auf dem Sofa mit Sky-Abo? Gemütlicher! Im Live-Ticker? Es ist ohnehin noch Arbeit liegen geblieben – das bringt Home-Office leider so mit sich. Oder doch lieber live vor Ort sein? Ein paar Klicks verraten ihm: Es gibt noch Karten. Ein Klick später ist er im Besitz einer solchen. Ob seine Kumpels wohl auch da sein werden? In der Facebook-Gruppe „Nur der S04“ kündigen 5 Leute ihre Teilnahme an. Noch am selben Tag versucht er Dieter zu erreichen. Keine Antwort, dabei war er doch vor 14 Minuten das letzte Mal online. Auf niemanden kann er sich mehr verlassen. Spielt dieser neue Stürmer eigentlich? Ein Klick und die Antwort: Ja, er spielt. Eine Leichte Blessur am kleinen Zeh steht dem Einsatz aber wohl noch im Weg – schrieb zumindest jemand bei Twitter. Noch schnell einen Genesungswunsch da lassen: „Alles Gute, wir brauchen dich heute“. E-Ticket ausdrucken und los geht‘s. Ist ja auch viel nachhaltiger so ein E-Ticket. Am Eingang läuft es heute nicht reibungslos. Der Apparat erkennt sein Ticket nicht. Zehn Minuten vergehen,  dann ist er drin. Das geht ja gut los, denkt er sich. Die nächsten Minuten verbringt er damit, die Beschwerde auf der Facebook-Präsenz des S04 zu posten. 81 Likes nach 20 Minuten. Das Service-Team verspricht Besserung. Gleich beginnt das Spiel. Die Choreografie? Mal wieder einzigartig. Wenn da nicht die ganzen Smartphones wären, die ihm die Sicht blockieren. Kurz vor Anpfiff noch schnell ein Gruß an die Spieler schicken: Alles Gute, Jungs. Vielleicht landet der Tweet sogar auf der Twitter-Wand im Mixed-Bereich. Es bringt nichts. Das Spiel geht verloren. Noch am Abend wird heiß diskutiert. Ein User schreibt: „Mit diesem Trainer wird das nichts mehr“. 1200 Likes.

War früher alles einfacher? War früher alles besser? Oder war es einfach nur anders? Fest steht: Es hat sich etwas verändert im Leben der Menschen. Nicht nur bei sichtbaren, sondern vor allem bei unsichtbaren Dingen. Das Denken der Menschen hat sich geändert. Die Aufgabe von Marketing ist es, darauf zu reagieren.

Philip Kotler, Begründer der Marketingwissenschaft in Deutschland, hat es sich zur Aufgabe gemacht, dieses veränderte Denken – diese unsichtbaren Dinge – für das Marketing zu übersetzen. Eine neue Dimension, so beschreibt er es: Marketing 3.0 – das soll die Wunderwaffe der Zukunft sein. Mit dem Ziel, dem neuen Denken erfolgreich entgegenzutreten.

Aber von vorne: Wenn Marketing 3.0 die neue Dimension ist, welche gab es denn davor? Was ist Marketing 1.0 und 2.0 und welche Neuerungen bringt die dritte Dimension mit sich?

Kurz und knapp lässt es sich so beschreiben:

  • Marketing 1.0 legte den Schwerpunkt auf das Produkt.
  • Marketing 2.0 legte den Schwerpunkt auf den Verbraucher.
  • Marketing 3.0 legt den Schwerpunkt auf den Menschen als strategischen Ausgangspunkt – mitsamt seine Bedürfnissen und Anliegen.

 

Klingt abstrakt. Ist es auch. Deshalb etwas konkreter:

Marketing 1.0: Der Schwerpunkt liegt einzig allein auf dem Produkt. Das Produkt muss verkauft werden – diesem Ziel ordnet sich alles unter. Die Kunden
werden als Massenkäufer mit mehr oder wenigen gleichen Bedürfnissen wahrgenommen. Es herrscht Massenabfertigung.

Marketing 2.0: Der Schwerpunkt liegt auf dem Verbraucher. Er soll zufriedengestellt und gebunden werden. Ziel: Kopf und Herz erreichen. Marketingkampagnen und Markenslogans sind die Werkzeuge dazu. Unternehmen positionieren sich, nicht selten auch mal wie ein Fähnchen im Wind. Die Motivation des Unternehmens ist extrinsisch.

Marketing 3.0: Der Schwerpunkt liegt auf den individuellen Bedürfnissen und Werten. Es handelt sich um Menschen – nicht um Kunden, Verbraucher, Konsumenten –  sondern um Communities, die gleiche Bedürfnisse und Erwartungen haben und den gleichen Werten folgen. Nur Beobachten, Erkennen und Verstehen versetzt in die Lage, Bedürfnisse und Erwartungen zu befriedigen.

Das veränderte Denken erfordert eine Reaktion. Doch der Mensch ist ein Gewohnheitstier. So auch in diesem Fall: Nicht verwunderlich, dass viele sich die Zeiten des Marketing 1.0 zurückwünschen – oder im schlimmsten Fall noch in ihr verweilen:

Die Zeiten haben sich geändert. Die Menschen sind kritischer geworden, handeln bewusster, haben höhere Anforderungen, entscheiden emotional und rational. Die Komplexität hat zugenommen. Es benötigt ein Umdenken in (Fußball-) Unternehmen. Marketing funktioniert nicht mehr nach dem einfachen Schema „Tue X, erreiche Y“.

Fans und Fußballinteressierte wollen ihren Verein auch außerhalb der 90 Minuten begleiten und verfolgen. Am liebsten rund um die Uhr. Es ist ein Lebensinhalt, der als Beziehung verstanden wird. Nicht vergleichbar mit einem anderen Produkt des täglichen Lebens. Oder verspüren Sie  das Bedürfnis, rund um die Uhr mit Ihrer Lieblings-Joghurtmarke zu interagieren? Täglich Infos zum neuesten Klopapier zu bekommen? Schals und Wimpel von Waschmaschinenherstellern zu tragen? Die Beziehung zwischen Mensch und Verein ist eine besondere – und das macht es für Vereine umso schwerer. Der Fan beansprucht, Teil des Ganzen zu sei und mitwirken zu können.

Diese Beziehung zum Verein wird mit einer Selbstverständlichkeit gelebt, die vielen Vereinen Angst zu machen scheint. Denn – wie in jeder anderen Beziehung auch – wird dem Partner nicht nur Honig um‘s Maul geschmiert, sondern es fliegen auch mal die Fetzen. Shitstorm – allein das Wort verursacht schon Panikattacken. Die Panik davor, eine Welle der Kritik auszulösen und ins Kreuzfeuer der Öffentlichkeit zu geraten. Erstreckte sich der Shitstorm früher noch auf die Kneipe  von nebenan, ist es heute ein digitales Lauffeuer mit teils unkontrollierbaren Folgen.

Nicht einfach für Fußballvereine: Umgab sie doch früher noch eine Käseglocke des Schutzes. Heute ist der sprichwörtliche Nacktscanner auf alle Bereiche des Vereins gerichtet.  Der geschützte Umhang bröckelt und verschwindet bald ganz. Das Innere des Vereins liegt frei wie offene Zahnhälse. Und ebenso wie mit diesen, macht sich eine hohe Schmerzempfindlichkeit bemerkbar. Nichts bleibt mehr versteckt, alles wird der Diskussion ausgesetzt. Keiner kann sich mehr Leichen im Keller erlauben.

Aber wie mit diesen neuen Herausforderungen umgehen? Was sollte sich im Handeln ändern? Muss sich ein Fußballverein überhaupt zwingend öffnen? Was bringt es ihm? Und wie könnte das konkret aussehen? Das sind die Fragen, die zunächst offen bleiben. Diese zu beantworten, ist die Aufgabe des zweiten Teils, in dem es um die neue Dimension des Handelns geht, denn von Denken allein bewegt sich nichts. Das schafft nur die Handlung.

 

Über den Gastautor

Patrick Potthoff studierte BWL an der FH Bielefeld (Schwerpunkt Marketing) und absolvierte eine Weiterbildung zum Sportmarketing-Manager am IST-Studieninstitut. Der ausgebildete Industriekaufmann beschäftigte sich im Rahmen seiner Bachelorarbeit mit der identitätsorientierte Markenführung bei Borussia Dortmund und bloggt neben seinem berufsbegleitenden MBA-Sportmanagement Studium an der Friedrich Schiller Universität Jena aktiv unter: www.3hundertsechzig.com.

Kontakt und Fragen an Patrick Potthoff: potthoff.patrick@gmx.de.

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